Godfather wrote:In der Tat haben anscheinend einige Mitarbeiter nicht immer das notwendige Hintergrundwissen bzw. Interesse an der Materie.
Das Problem ist: Wenn dies Mitarbeiter sind, deren Einfluss man direkt am Endprodukt erkennen kann (beispielsweise unmotivierte Synchronsprecher, die nicht mal so viel professionelle Einstellung mitbringen, sich den Anime vorher
einmal im Original mit Untertiteln anzusehen, um
wenigstens die Aussprache ihres eigenen Rollennamens zu begreifen), dann ist das Urteil "Dub = Müll" schnell gefällt und schwer zu widerlegen.
Ich habe nichts dagegen, dass eine Firma gewinnorientiert arbeitet - solange sie das professionell tut. Wenn sie hingegen argumentiert: "Wir sind die einzig legalen Rechteinhaber und deshalb dürfen wir Schund zu hohen Preisen produzieren", dann ist ihre Interessenlage nicht mit derjenigen der Kunden vereinbar. Wir leben in einer Marktwirtschaft, und Konkurrenz belebt das Geschäft; es wäre also logisch, dass professionelle Anime-Herausgeber in Deutschland sich zum Ziel setzen, sich mit einem DVD-Release bei ihren Kunden
wenigstens nicht zu blamieren (siehe das Beispiel mit der fehlenden Dialogzeile aus der Preview-Vorführung). Dass DVDs rein technisch nicht den Level eines guten Fansubs erreichen können (weil sie vom Datenformat her nicht mit Softsubs und H.264 mithalten können), haben alle verstanden und ist nicht mehr Teil der Diskussion, aber wenn
auch noch Synchronsprecher und Texteditoren ihren Job nicht ordentlich machen (von Typesetting essentieller Zusatzinformationen in Form von im Bild erkennbarer japanischer Schriftzeichen ganz zu schweigen), dann gibt es nicht mehr viele Gründe, sich ein offizielles Release überhaupt zuzulegen. Auch die "Karaoke-Fraktion" unter den Fansub-Guckern fühlt sich von den DVD-Releases als Zielgruppe vermutlich unzureichend bedient. Wenn ein DVD-Release also
in jeder einzelnen Komponente nicht mit einem Fansub mithalten kann, dann gibt es doch verdammt viele Anime-Fans, die sich fragen werden, was ihnen der Kauf einer DVD eines "am Markt vorbei produzierten" Releases überhaupt bringen soll - egal, was dem einzelnen Anime-Fan konkret am wichtigsten ist. Falls das so ist, dann bleiben als Käufer im Wesentlichen noch diejenigen übrig, die einen Dub als unverzichtbar betrachten - was wiederum erklären würde, wieso die Publisher glauben, einen Dub anfertigen zu müssen. Dass sie damit aber den gesamten Rest ihrer potentiellen Zielgruppe freiwillig aufgeben, wenn sie sich so auf den Dub fokussieren und alles Übrige vernachlässigen, das ist ihnen anscheinend nicht bewusst.
Godfather wrote:Auf der anderen Seite wendet sich AV beispielsweise an die Fans, um Fragen bezüglich Titel, Synchronsprecher und und und zu klären und mit den Fans ins Reine zu kommen. Hier wäre eine Möglichkeit für Euch, da aktiv mitzugestalten. Ich denke, davon könnten beide Seiten nur profitieren.
Ich habe mitbekommen, dass beispielsweise über die Besetzung der Rollen "abgestimmt" werden darf. Schön und gut. Aber ist das zielführend? Verstehen die Fans mehr von der Eignung eines Sprechers als der Produzent?
Ich fände es sinnvoller, solche Aktivitäten
im inhaltlichen Bereich zu starten statt im technischen (wo ich dem Produzenten zutraue, sein Handwerk zu verstehen -
irgendwas muss er schließlich können). Ich verlange von einem guten Übersetzer beispielsweise, dass er nicht nur das englische Original nach Deutsch übersetzt, sondern dass er u. a. im Internet nach Communities sucht, in denen der betreffende Anime diskutiert wird - Shrines, beispielsweise. Forum-Threads, in denen über die Interpretation und Übersetzung bestimmter Schlüsselszenen diskutiert wird - beispielsweise der Thread zu dem betreffenden Anime in AnimeSuki etc., wo insbesondere die englischen Fansubber mitdiskutieren, was die Auslegung der Dialoge in ihren Releases betrifft (und wo man deren Übersetzungen selbst auch hinterfragen kann). Denn bei "richtig guten" Animes (also nicht Kinderkram oder Hentai) kommt es in solchen Situationen manchmal eben auf jedes einzelne Wort an, wenn die Handlung nicht grundsätzlich ruiniert werden soll. Da ist jede zusätzliche Meinung und jeder zusätzliche Blickwinkel hilfreich. Da mag ein professioneller Übersetzer noch so viele Jahre Japanisch studiert haben - dies ersetzt nicht ein ggf. ebenfalls erforderliches Wissen über Anspielungen eines Animes auf andere Animes oder aktuelle Kulturphänomene in Japan, es ersetzt nicht das Lesen des Mangas mit entsprechendem Hintergrundwissen über die Geschichte, was bestimmte mehrdeutige Anime-Szenen dann überhaupt erst verständlich macht, und vieles mehr. Hier könnten sich die Publisher Fans mit ins Boot holen, wie das beim Suzumiya-Haruhi-Projekt versucht wurde (und wie das bei meinem ersten Fansub-Projekt der Fall war - ich wollte gar keinen Fansub erstellen, ich wollte nur, das die Handlung des betreffenden Fansubs keine groben Fehler aufweist, weil ich eben zuallererst ein Fan des betreffenden Animes bin und zu diesem Anime in den letzten Monaten beispielsweise auch eine Fanfic mit 21 Kapiteln Umfang übersetzt habe); solche Aktivitäten würden zeigen, dass die Publisher den Inhalt eines guten Animes ernst nehmen und als Literatur behandeln. (Ja, das mag jetzt hochgestochen klingen, aber gäbe es nicht so gute Animes, die einen solchen Vergleich rechtfertigen wie etwa Haibane Renmei oder Koi Kaze, dann wäre ich kein Anime-Fan und erst recht kein Fansubber.)
Und ich verlange von einem guten Synchronsprecher, dass er etwas von Animes versteht - zumindest von Seiyuu-Artikulation, welche ein keineswegs zu vernachlässigender Aspekt des Gesamtproduktes ist. Anime hat gegenüber dem Realfilm den Vorteil (?), überzeichnen zu können, und tut dies auch ganz bewusst; gegenüber einer überzeichneten Bilderfolge hebt sich ein Synchronsprecher mit der Dynamik einer Schlaftablette aber deutlich negativ ab. Ein Anime genauso zu synchronisieren wie einen Realfilm wird in einigen Fällen (etwa bei japanischen Slapstick-Comedies) das Thema verfehlen; deshalb ist es auch so schrecklich, wenn man lesen muss, dass deutsche Synchronsprecher sich mit ihren Rollen überhaupt nicht befassen, also beispielsweise keine Ahnung haben, was das eigentlich für ein Charakter war, den sie da gerade gesprochen haben...
Godfather wrote:Ich bin befürworter der Synchronisation. Allerdings gebe ich zu, dass diese Einstellung bei Euch schon fast als dekadent ankommen könnte. Naja, jeder ist halt anders gestrickt.
Je mehr wirklich gute Fansubs Du im Vergleich zu einem gleichzeitig vermiesten Dub ansiehst, desto mehr wirst Du diese Einstellung relativieren. Rei Battlecakes Beispiel zu Love Hina Episode 1 (mit massiven Änderungen in der Handlung, die dann wenige Episoden später unauflösbare Widersprüche verursachen, weil
dort dann die korrespondierenden Szenen wörtlich korrekt übersetzt wurden) kann ich nur unterstreichen, und dass es NGE-Fans die Fußnägel hochrollt, wenn sie sich in jeder Episode -zigmal "Asuuuuuuhka" anhören müssen, dürfte auch bekannt sein. Beides ist Ausdruck einer "scheißegal"-Einstellung der Publisher, die dem japanischen Original gegenüber nicht den Respekt erweisen, den wir als Anime-
Fans sehen wollen. Nun muss nicht jeder Anime-Käufer ein Fan sein - aber eine Einstellung der Publisher, die tatsächlich existierenden Fans (von denen viele einen Fansub eben schon gesehen haben, und sei es ein englischer) als primäre Käufergruppe gezielt vor den Kopf zu stoßen, wäre aus rein renditeorientierter Sicht zumindest fragwürdig.
Godfather wrote:Meine "Abneigung" gegen Animes bis vor kurzer Zeit war in der Tat das Werk von RTL2 - ich sag nur Pokemon, Digimon, DargonBallz, Yuhi-Oh - alles auf Kommerz ausgelegter (sorry, wenn hier Gegner dieser Meinung sind) Schund. Und man verallgemeinert gerne. Also - Digimon=Schund => Anime=Schund. Aber inzwischen habe ich festgestellt, dass diese Meinung wirklich falsch ist - dummerweise ist sie stark verbreitet. In meinem Bekanntenkreis werde ich - seitdem ich Animes gucke - öfters mal mit spitzen Bemerkungen belegt.
Nein, ich denke nicht, dass Du hier Widerspruch ernten wirst. Im Gegenteil: Wieso senden RTL2 und Konsorten
nur solchen Schund? Wieso engagieren sich die Publisher nicht mehr dafür, auch mal gute Animes im Fernsehen zu zeigen? Die VOX-Nacht-Aktionen, die Leute wie mich überhaupt erst zu Animes gebracht haben (Evangelion im Sechserpack nach Mitternacht), waren doch toll - wieso gibt es davon nicht mehr? Wieso werden beispielsweise nicht öfters Anime-Nächte gesendet, in denen
von einem halben Dutzend Serien jeweils die erste Episode gezeigt wird? (Und zwar möglichst von Serien, die man bereits komplett kaufen kann - es ist nämlich frustrierend, wenn jemand, der Animes auf diese Weise zum ersten Mal wahrnimmt, am nächsten Tag in den Laden geht und erfährt, dass er auf die restlichen Episoden noch ein Jahr wird warten müssen, statt seine durch die Werbung hervorgerufene spontane Kauf-Entscheidung sofort in die Tat umsetzen zu
dürfen.) Ghost in the Shell SAC lief komplett in M-TV (und sogar mit ausnahmsweise vernünftiger Untertitelung der vielen Schrift-Einblendungen!) - hat dies den Verkaufszahlen eher geschadet oder eher genützt? Als Werbung für das Anime-Genre fand ich das toll.
Das schlechte Image der Anime-Branche ist hausgemacht, behaupte ich - wenn man sich so präsentiert, dass nur die Kiddies mit "Ich hau dir auf's Maul, weil ich's kann"-Handlungen bedient werden, dann braucht man sich nicht zu wundern, dass "Animes für Erwachsene" in der Öffentlichkeit als Widerspruch in sich betrachtet und Anime-Fans bestenfalls belächelt werden. Was ist das aber für ein Image, das die Produzenten ihren Kunden da andichten? Was ist das für eine Kaufmotivation, wenn ich dafür hinnehmen muss, als sozialer Außenseiter zu gelten? (
"Guck mal, Mama, der Onkel kauft Animes - ist das ein Perverser?" 
) Ist das ein kundenorientiertes Verhalten der Publisher im Sinne einer modernen Dienstleistungsgesellschaft? (Okay, war nicht ganz erst gemeint, aber die Richtung stimmt doch irgendwie.)
Animes verkörpern eine andere Kultur als die westliche, in der "Zeichentrickfilme" eben tatsächlich das Image haben, Kinderkram zu sein (ein "Brösel Werner" alleine ändert daran wenig); wenn die Anime-Industrie
in Deutschland Produkte verkaufen will, die nach diesem Image hierzulande unverkäuflich wären (abgesehen von einer kleinen Randgruppe von Fans, die sich selbst japanisches Kulturwissen anlesen und dann aber eben auch gleich Japanisch teilweise mitlernen, Honorifixe in den Dialogen drin haben wollen etc.), dann braucht sie sich nicht zu wundern, dass die Umsatzzahlen bescheiden bleiben. (Und dass die Zielgruppe ihrer DVDs eben genau mit der Zielgruppe der Fansubs übereinstimmt, sodass die Produzenten die volle Konkurrenz beider Releases zu spüren bekommen, falls Fansubber wie Rei Battlecake tatsächlich die "zwei Jahre Wartezeit überbrücken" wollen und nicht wie ich Animes übersetzen, die in Deutschland "eh nie auf den Markt kommen werden" - wobei sich beide Seiten in Ausnahmefällen auch irren können.) Man muss nicht gleich so weit gehen, ein Lifestyle-Gefühl a la "Generation Golf" aufzubauen - aber vollständig ignorieren sollte man die kulturellen Aspekte eben auch nicht, sonst verbreitet man den Eindruck, sein eigenes Kerngeschäft nicht verstanden zu haben. Genau dieser Eindruck kommt beim echten Anime-Fan aber an, wenn ein Dub-Übersetzer ein japanisches Kultur-Element "glattbügelt", weil er den Zuschauer für zu dämlich hält, den Witz zu verstehen, den eine Textzeile im japanischen Original vermitteln wollte. (Ähnliches gilt übrigens für die deutsche Asterix-Umsetzung, deren
Anspielungen auf aktuelle politische Themen in der deutschen Version auch nicht mehr zu erkennen sind - Frankreich ist von den westlichen Nationen dem "Geist" der Animes wohl noch am nächsten, was auch erklärt, wieso etwa Studio Ghibli in seinen Gründertagen starke französische Einflüsse verarbeitet hat, siehe entsprechende
ARTE-Dokumentation.)
Genauso "geht gar nicht", ein Anime, das im Original in Japan auf einem "Sendeplatz für Erwachsene" ausgestrahlt wurde, in der "deutschen Version" durch Zensur blutiger Szenen bzw. Umschreiben von Dialogen so zu verstümmeln, dass es angeblich "kindertauglich" wird. Das wird es nämlich nicht, weil
die vermittelten ethischen Werte nicht mit umgeschrieben werden. Wenn dies dann darin resultiert, dass Animes im Kinderprogramm die Rolle der
Verherrlichung des Faustrechts einnehmen (als ob wir
genau das in unserer aktuellen sozialen Situation dringend brauchen würden...), beschädigen sie das ohnehin schlechte Image des Genres durch falsche Zielgruppenbehandlung noch zusätzlich. Ähnliches gilt für Ecchi Comedies: Wenn aus "Jugendschutzgründen" entsprechende Dialoge und (Loli-)Szenen "entschärft" würden, dann wäre das Ergebnis einfach stinklangweilig - und vor allem
nicht mehr japanisch. (Allein deshalb schon werden Fansubs nie obsolet werden, wenn sie sich mit Animes befassen, die realistischerweise in Deutschland nie in einer originalgetreuen Version gesendet werden können, weil die Produzenten beim Versuch, rechtlich "auf der sicheren Seite" zu sein, das Originalwerk unzumutbar stark verstümmeln müssten.)
Ich habe an einer solchen Diskussion an anderer Stelle schon mal ausführlicher teilgenommen. Von den bisherigen Ausführungen in diesem Thread hier möchte ich mich deshalb nachdrücklich der Idee anschließen,
Animes zeitnah deutsch untertitelt zu publizieren. Das würde zumindest Rei Battlecake als Konkurrenz ausschalten.

Solange die Publisher darauf
bestehen, die Dialoge zu synchronisieren, haben sie keine Chance, dies zeitnah zu produzieren und in den Markt zu geben. Für das endgültige Produkt müssen die Untertitel ohnehin angefertigt werden - wieso also nicht
zwei Produkte herstellen, eines nur mit Sub und das andere sehr viel später zusätzlich mit Dub? Auf diese Weise könnte man zunächst einmal realistische Erfahrungswerte darüber sammeln, welcher Prozentsatz der Kundschaft einen zeitnahen Sub einem verzögerten
und teureren Dub vorzieht und damit die Diskussion diesbezüglich von Vermutungen auf Fakten umstellen. Wenn dann gleichzeitig noch eine Upgrade-Option angeboten wird, also ein
preisreduzierter Erwerb der Dubbed-Version bei Nachweis des Kaufs der Subbed-Version, dann wäre auch die Gefahr eliminiert, dass Fans sich das zeitnahe Sub-only-Release nicht kaufen, weil sie doppelte Kosten scheuen würden (während umgekehrt Leute wie ich dann ein preisreduziertes und früher verfügbares Sub-only-Produkt sehr viel lieber kaufen würden, als Monate warten zu müssen, um einen schlechten Dub zusätzlich bezahlen zu müssen, den ich gar nicht haben will). Falls sich nämlich dann herausstellt, dass tatsächlich ein nennenswerter Prozentsatz der Kunden meines Typs mit dem Sub-only-Release zufrieden ist und die Zusatzkosten für die Erstellung eines Dub durch die Käufer der Dubbed-Version alleine nicht eingespielt werden können, würden sich die Produzenten Gedanken machen müssen, ob der Dub denn wirklich so unverzichtbar ist, um Animes in Deutschland kostendeckend zu vermarkten.
Das Hauptproblem für das zeitnahe Release bleibt aber die Lizenzierungsfrage. Wenn dafür alleine schon monatelange Verhandlungen erforderlich sind, werden Fansubber wie Rei Battlecake nie obsolet werden. Im Fall englischsprachiger Releases scheinen die japanischen Produzenten gerade umzudenken (denn zeitnahe offizielle EngSubs gibt es ja inzwischen vereinzelt) - wieso geht das im Fall deutschsprachiger Releases nicht auch?